Zu meiner rotbraunen Schönheit kam ich wie die Jungfrau zum Kind.
Während des allerersten Ederseemeetings von Nippon-Tackle im Jahr 2010 gab es abends eine kleine „Fummelrunde“, bei der Fabian allerhand Interessantes auf den Tisch und aus der Tüte packte. Da ich zunächst nur Augen für die Hard- und Softbaits hatte, fiel mir auch nicht der kleine Rutenwald auf, der erfreulicherweise, recht unerwartet hinter mir zu wachsen begann.
Ich ahnte in diesem Moment auch noch nicht, dass es, bedingt durch mein Portemonnaie aus Zwiebelleder*, bald zu einer harten und gar sehnsüchtigen Zeit kommen würde.
*(Anm. Zwiebelleder = pflanzliches lederähnliches Material zur Herstellung schlechtgefüllter Geldsäcke aus einer ausdauernd krautigen, lauchähnlichen Pflanze, das beim bloßen Anblick zur sofortigen Aktivierung der Tränenkanäle führt. In besonders schlimmen Fällen wird von andauernden Weinkrämpfen,gepaart mit weibischen Wehklagen, berichtet.)
Beim abschließenden gemeinsamen Einpacken des feilgebotenen Tackles berührten meine Finger zum ersten Mal zufällig eine JDM-Rute aus „Glas“.
Glasruten kannte ich bis dahin nur aus meinen Kindertagen aus den Blisterpackungen diverser Urlaube, die in Kindsaugenhöhe in sämtlichen Läden von Carolinensiel bis Lido di Jesolo angeboten wurden und wohl alle aus derselben Firma stammten, wie die Zeltstangen, die man gewöhnlich für Iglu-Zelte verwendet.
Das was ich da aber plötzlich in meiner Hand wiegte, fühlte sich auf Anhieb so an, als würden wir bald sehr gute Freunde werden. Die sich in meiner Hand befindliche „Vollendung des Rutenbaus“ besaß einen rotbraunen Blank mit farblich passendem Rollenhalter, während der Griff in elegant geschwungenem Kork erster Güte einen haptischen Wohlgenuss erzeugte. Die SiC-Beringung aus dem Hause Fuji und die leicht golden schimmernden Zierringe im Bereich der Endkappe und des vorderen Griffbereichs rundeten das gelungene Erscheinungsbild ab.
Ein halbes Jahr später war es dann endlich soweit, das Geld war gespart, die Nachlieferung aus Japan bei Nippon-Tackle eingetroffen und ich schob meinen virtuellen Einkaufswagen Richtung Kasse.
Bevor ich jetzt noch weiter abdrifte und euch von den Entbehrungen und von Erwartungen und Plänen gefüllten Tagen der Zeit zwischen erstem „Befummeln“ und dem letztendlichen Happy End schildere und der ein oder andere von euch jetzt auch noch denkt, dass ich nachts mit der Rute das Bett teile und meine Freundin im Schrank stehen muss, anstatt der Rute, will ich nun endlich zum Punkt kommen und euch sachlicher etwas zur VIGORE GVIC-63MLG von Graphiteleader schreiben.
Wie gerade schon erwähnt, handelt es sich um das Modell VIGORE GVIC-63MLG der Tackleschmiede Graphiteleader aus der „Vetro“-Serie.
Hier nun das Datenblatt:
Länge: 6’3’’ ft. / 1,91m (einteilig)
Power: Medium-Light (ML)
Action: Fast
Eigengewicht: 116 Gramm
Wurfgewicht: 1/8 - 1/2 oz.
Line: 6 - 14 lb.
Kohlefaseranteil: 56%
Preis: ca. 355 Euro
Die Rute in Aktion
Obwohl die MLG von 1/8 - 1/2 oz. angeben ist, liegt das optimale Wurfgewicht etwas unter dem angegebenen Wert. Da es sich um eine Glasrute handelt, ist es erst einmal eine natürliche Gegebenheit, dass die Rute weicher in ihrer Aktion ausfällt. Wer bei Glasruten den Vergleich heranzieht, dass man ja auch mit einem Lasso kein Billard spielen kann und darauf schließt, dass die MLG ein Schwabbelstock ist, dem die „blaue Pille“ eines amerikanischen Medikamentenherstellers verpasst werden sollte, damit eine anständige „Rute“ draus wird, der irrt. Die MLG ist schnell in ihrer Aktion, aber in der Spitze sensible genug, um kleine und sogar Kleinstköder fast ohne zusätzliches Gewicht Richtung Horizont zu feuern.
Der optimale Bereich der eingesetzten Baits liegt irgendwo zwischen 5 - 7 Gramm. Die Rute arbeitet aber auch schon wun-derbar leicht ab 3,5 Gramm und sogar weit darunter. Die MLG ist meine Wahl, wenn es mit kleinen Gummis, wie dem 2er - 4er Flash oder Gummiwürmern wie dem U30 Vein 38 oder dem Bugsy von Bait Breath mit Insertweights (0.9g) oder am T- oder C-Rig mit ab 3,5 Gramm auf Barsche, geht. Aber auch am Splitshot- oder Downshotrig geht es richtig zur Sache. Jedoch auch am bis zu 7 Gramm leichten Jigkopf lassen sich die Gummis super werfen und führen.
Gelegentlich fische ich an der Rute auch kleine Hardbaits die etwas Druck unter Wasser erzeugen, wie den MIDGET Rattler und den B-Switcher 2.0 von Zipbaits, DD Chubbys oder kleine Sqirrels in ähnlicher Größe wie der Ultra Sledge von Evergreen. Die Gummifischerei bevorzuge ich jedoch.
Als DAIWA-Anhänger habe ich mich entschieden, eine Pixy SPR 68L, bespult mit 8 lb. tragender YGK G-Soul WX8, zu montieren. Die Rolle habe ich, damit das Erscheinungsbild etwas runder wird, zum Griff der Rute passend mit Korkknobs gepimpt.
Die Kombo aus Rute und Rolle liegt mit ca. 266 Gramm Eigengengewicht unglaublich ausgewogen in der Hand. Sowohl Rute als auch Rolle erfordern jedoch eine sehr weiche und runde Wurfbewegung aus Unterarm und Handgelenk. Doch gerade diese harmonischen Wurfbewegungen machen das Fischen mit den kleinen Softbaits zum wahren Vergnügen, wenn man ähnlich einer eleganten Handbewegung, mit der man sonst einer Dame den Vortritt gewähren würde, Wurfweiten um die 15 Meter erreicht. (Eine ähnliche „weiche“ Bewegung findet man auch in der „Aktivia“ Werbung wieder, wenn die vom harten Stuhlgang geplagte Werbefrau den nach dem Genuss des Milchproduktes proklamierten, einsetzenden, geschmeidigen „Abgang“ mit ihrer Hand nachempfindet). Die sensible Spitze gibt Rückmeldung über jede Bewegung des Köders und der Bodenbeschaffenheit und ermöglicht es dem Fisch, beim Biss den Köder einzusaugen ohne Widerstand zu spüren. Der schnelle Blank gibt direkte Rückmeldung über jedes „Gezuppel“ am Köder.
Im Drill geht die Aktion der Rute bis ins Handteil und federt jeden Schlag weich ab und lässt ihn förmlich verpuffen. An dieses „weiche“ Gefühl muss man sich zunächst einmal gewöhnen, man lernt es aber schnell zu schätzen. Bis jetzt konnte ich in 99% der Fälle die Fische trotz der Verwendung von Einzelschonhaken (auch an den Hardbaits) sicher und ohne Ausschlitzen landen. Selbst springende Forellen konnten ihre Chance nicht nutzen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Rute bei all denen für große Freude sorgen wird, die gerne und viel mit kleineren Gummiködern und den beschriebenen Hardbaits raus ans Wasser gehen, eine sensible aber nicht schlabberige Rute bevorzugen, keine Angst vor einem Glasanteil im Blank haben und nicht zur Fraktion der grobmotorischen Werfer zählen. Angeln kann so schön und elegant sein, probiert’s mal aus…
Gruß Olaf
vBulletin-Systemmitteilung